Blatter von Niedermuhlern und Zimmerwald
Ueber die Herkunft der Blatter von Niedermuhlern und Zimmerwald kursiert hartnäckig eine Geschichte, die deren Wurzeln als ins Wallis reichend beschreibt. Ganz widerlegt werden kann diese These nicht, da in einem Jahrzeitbuch der Kirche Oberbalm aus dem Jahre 1423 tatsächlich von "Walazers" - also von einer Walserkolonie - die Rede ist.
Sicher aber stammen die Blatter nicht zwangsläufig von Blatten im Lötschental, wie oft voreilig behauptet wird.
Entstehung des Namens
Der Name Blatter ist in diesem Fall zweifelsfrei von einem Flurnamen abgeleitet und ist relativ spät entstanden: In einem Feuerstättenverzeichnis von 1558 wird "der uff der Platten, im Bach" erwähnt. Die Platte, eine Senke im Abhang südöstlich des Restaurants Bachmühle, gab also ihrem Bewohner und dessen Nachkommen den Namen und ist heute ein längst vergessener Flurname. Nur der "Platteneggen", die Bezeichnung für einen Acker westlich vom Schützenhaus, zeugt noch von der alten Namensgebung.
Im Ortschaftenverzeichnis des Freistaates Bern aus dem Jahre 1838 ist ein Haus auf der "Blatten" jedenfalls noch aufgeführt; so um die Jahrhundertwende dürfte es allerdings verschwunden sein. Ein ehemaliger Wirt der Bachmühle mochte sich noch erinnern, dass er und sein Vater um 1950 bei Grabarbeiten zum Pflanzen von Obstbäumen auf der Platte auf die Grundmauern des Stammhauses der Blatter gestossen sind.
Auf der Platte, wo die Schafe weiden, befand sich das Stammhaus der Blatter; im Hintergrund die Bachmühle. |
Aelteste Spuren
1780 brannte das Dorf Obermuhlern fast vollständig ab, wobei auch die Gemeindekiste mit über 150 Urkunden, Büchern und Urbaren ein Raub der Flammen wurde. Trotzdem blieben einige schriftliche Zeugen der Gemeinden Zimmerwald, Ober- und Niedermuhlern erhalten, die es erlauben, den Weg der Blatter auf dem Längenberg aufzuzeichnen.
Das Riggisberger Urbar von 1425 erwähnt die Blatter noch nicht. Allerdings erzählt es von zwei Schuldnern, Ullinus und Conrad Blezer, deren Name den Blatter zwar vom Klang her verwandt scheint, aber wohl eher auf eine Schuhmacher-Tätigkeit hindeutet.
Der älteste Abdruck einer Spur der Blatter von Niedermuhlern/Zimmerwald ist sichtbar im Urbar Nr. 13 des Interlakner Hauses von 1542: Darin ist beschrieben wieviel Zehntabgaben ein Hans Blatter von Obermuhlern zu leisten hatte.
Früheste kirchliche Einträge finden wir im Kirchenrodel von Belp vom November 1549: Da liess ein Niklaus (Nicli) Blatter am 8. November einen Sohn taufen; zwei Tage später brachte vermutlich sein Vater Hans sein jüngstes Kind, Elsbeth, zur Taufe in die Kirche Belp (Zimmerwald erhielt erst 1699 eine eigene Kirche).
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Einige Jahre später entstand das Feuerstättenverzeichnis von 1558, das noch erhalten geblieben ist. Es listet jene Hausväter auf, in deren Haus Feuer und Licht brannte. Aufgeführt ist dabei sowohl "der uff der Platten" im Bach wie ein Hans Platter von Obermuhlern.
Von 1569 existiert ein Auszügerverzeichnis, das Kund tut, dass auf obrigkeitlichen Befehl ein Nicli Blatter mit Harnisch und Spiess einzurücken hatte.
Neben den Kirchenbüchern das wohl wichtigste Dokument ist das Burgerregister der Kirchgemeinde Zimmerwald von 1798, das einen aufschlussreichen Querschnitt durch die Kirchgemeinde Zimerwald bietet.
Drei Stämme
Die Blatter vom Längenberg stammen vermutlich alle von "dem uff der Platten" ab, respektive von dessen Sohn Hans. Ihre Nachkommen können der Ordnung halber in drei Stämme aufgeteilt werden:
a) Obermuhlerer Stamm (in Zimmerwald heimatberechtigt)
b) Obertoffener Stamm (in Niedermuhlern heimatberechtigt)
c) Blackener Stamm (in Niedermuhlern heimatberechtigt)
Ihr Heimatrecht entweder in Niedermuhlern oder in Zimmerwald erhielten die Blatter allerdings recht willkürlich: Entscheidend scheint vielmehr der damalige Wohnort als die Abstammung gewesen zu sein. Und da Obermuhlern - die eigentliche "Hochburg" der Blatter - irgendwann keine selbständige Gemeinde mehr sein durfte, sondern Zimmerwald zugeschlagen wurde, entstand ein "neuer Heimatort". Das Burgerregister der Kirchgemeinde Zimmerwald von 1798, das 14 volljährige männliche Blatter erfasste, zeigt deutlich, dass die geografische Gemeinde Zimmerwald neben Niedermuhlern, Brönni, Oberfeld und Obertoffen als Lebensort der Blatter eine weit weniger wichtige Bedeutung zukam!
Der Stammbaum
Die Filiation der ältesten urkundlich belegten Blatter dürfte folgendermassen ausgesehen haben (die mit Jahrzahlen versehenen Ereignisse sind beurkundet):
"der uff der Platten" * oo im Bach 1558 Feuerstätten-Verzeichnis |
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Hans Blatter * oo Obermuhlern 1542 im Urbar erwähnt 1558 Feuerstätten-Verzeichnis ~ 1549 Elisabeth |
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Nicli Blatter * oo ~ 1549 Nicli ~ 1551 Hans ~ 1552 Elsbeth ~ 1554 Peter ~ 1556 Anna ~ 1558 Elsbeth ~ 1561Christen |
Walter Blatter * oo 1550 Dichtli Pfister ~ 1552 Hans ~ 1553 Barbli ~ 1557 Christini ~ 1559 Dorothe ~ 1561 Claudio |
Peter Blatter * oo 1556 Küngeli Wüls ~ 1557 Elsbeth ~ 1558 Bendicht ~ 1560 Anna ~ 1560 Anna ~ 1565 Dichtli |
Hans Blatter * oo 1566 Christini Rohrbach ~ 1567 Elsbeth ~ 1558 Bendicht ~ 1560 Anna ~ 1565 Dichtli |
Caspar Blatter * oo 1567 Anna Gurtner ~ 1568 Elsbeth ~ 1570 Elsbeth ~ 1572 Adelheid ~ 1575 Hans ~ 1577 Anna ~ 1578 Luzia ~ 1580 Bendicht ~ 1585 Wolfgang ~ 1587 Anna |
Elisab. Blatter * 1549 oo |
Nicli Blatter * 1549 oo 1570 Christini Gurtner 1569 Auszüger- Verzeichnis ~ 1571 Barbli ~ 1572 Elsbeth ~ 1574 Niclaus ~ 1575 Luzia ~ 1577 Barbli |
Bendicht Blatter * 1580 oo Elsbeth Wül ~ 1611 Bendicht ~ 1613 Barbli ~ 1614 Bendichtli ~ 1616 Niclaus ~ 1618 Hans ~ 1623 Madlen ~ 1625 Hans ~ 1628 Ulrich ~ 1630 Barbli |
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Stamm Obertoffen |
Stämme Niederblacken Obermuhlern |
Das Familienwappen
Aus dem Jahre 1780 sind drei Schliffscheiben bekannt, die als Grundlage für das im Berner Staatsarchiv deponierte Wappen der Blatter von Niedermuhlern und Zimmerwald dienten.
Eigentümer der Scheiben waren ein Christen Blatter, Wachtmeister von Zimmerwald (Obermuhlerer Stamm), ein Christen Blatter, Chorrichter zu Niederblacken (Blackener Stamm) sowie ein Hieronimus Blatter zu Obertoffen (Obertoffener Stamm).
Die drei Schliffscheiben sind mit grösster Wahrscheinlichkeit vom gleichen Heraldiker hergestellt worden. Sie sind mehr oder weniger identisch.
Zwei Scheiben sind im Besitz des Historischen Museums Bern, die dritte ( jene von Christen, dem Wachtmeister) befindet sich in Privatbesitz.
Die Blasonierung (=heraldische Beschreibung) lautet: "Geteilter Schild, oben weisse Lilie zwischen zwei goldenen Sternen auf rotem Grund, unten schwarz/golden geweckt."
Mehr Infos
Sämtliche Blatter von Niedermuhlern/Zimmerwald sind von mir bis ca. 1900 in der genealogischen Datenbank Ahnenforscher 2000 elektronisch erfasst worden.
Wer mehr Infos zur Geschichte dieser Familie oder Lebensdaten zu bestimmten Personen möchte, kann sich bei mir melden.